WENN KUNST ZUM PROBLEM WIRD
Was für die einen Kunst ist, ist für andere einfach nur ärgerlich. Jährlich entstehen der eurobahn durch besprühte Züge Sachschäden in Höhe von rund 550.000 € – Tendenz steigend. Schließlich müssen die Züge umgehend aus dem Verkehr gezogen werden. Verspätungen, volle Züge und erhöhte Beförderungsgelder sind die Folge. Um Sprayer und Fahrgäste gleichermaßen für die vielschichtigen Folgen des sogenannten „Trainwritings“ zu sensibilisieren, sind wir tief in die Graffiti-Szene eingetaucht. Und mit einer mehrstufigen Social-Media-Kampagne wieder aufgetaucht.
DÜRFEN WIR IHNEN DAS „YO!“ ANBIETEN?
Graffiti-Writer sind naturgemäß sehr schwierig zu erreichen. Schließlich weiß oftmals nicht einmal die eigene Mutter, wer sich hinter den von ihnen gewählten Pseudonymen verbirgt. Unsere Idee: Sie dort anzusprechen, wo sie ihre Anonymität wahren können. In den sozialen Netzwerken. Auf Instagram. Und zwar in einer Sprache, die sie wie keine andere verstehen: ihrer eigenen. Hierzu verdichteten wir ausgewählte Negativaspekte des Sprühens in Form des szenetypischen Akronyms. In Zusammenarbeit mit dem Künstlerkollektiv Studio Auckz entstanden auf diese Weise die Motive „UAMW“, „15 T€S“ und „GSDU“, die wir virtuell auf die Züge der eurobahn montierten.
PERFEKT IN SZENE GESETZT
Doch wie sollten wir die Motive nun unter die Sprayer bringen? Ganz einfach: Indem wir uns als einer von ihnen ausgaben und uns unter dem Decknamen „behind_ts“ in Social-Media-Landschaft stürzten. Insgesamt elf Wochen lang kommentierten wir zahlreiche Beiträge einschlägiger Graffiti-Kanäle, verteilten Herzchen, Daumen und & Co und posteten wie selbstverständlich die Bilder unseres fiktiven „Trainbombings“. Und zwar so lange, bis die Community sich einfach fragen musste: behind_ts – wer ist das eigentlich? Für uns der Zeitpunkt, die Aktion aufzulösen. Auf den Kanälen von behind_ts und der eurobahn verrieten wir zeitgleich, was hinter der Aktion und vor allem den von uns geposteten Akronymen steckte.
BLICK HINTER DIE KULISSEN
Auf einer eigens geschalteten Landingpage boten wir zahlreiche Fakten und Hintergründe zum Thema Graffiti, die Sprayer und Fahrgäste gleichermaßen für die Folgen des Sprühens sensibilisieren sollten. Ob wir auf diese Weise für ein Umdenken in der Szene sorgen konnten, ist ungewiss. Doch der Grundstein ist gelegt – für einen Dialog auf Augenhöhe und weitere Stufen der Deeskalation.